Die Zeit der Gnade ist für Zion gekommen

Damals wie heute ist der Begriff „Zionismus“ umkämpft und umstritten in der Welt und auch in der Christenheit. Doch gerade frühere christliche Gläubige hatten oft eine reale Vorstellung davon, dass das Volk der Juden eines Tages wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren wird. 

Ebenso bezeugten es Juden seit fast zweitausend Jahren in allen Ländern, wohin sie zerstreut waren, von Generation zu Generation beim Abschluss des Pessachfestes: léschana haba´ah bie juschalajim hab´nujah „Nächstes Jahr in Jerusalem“. Dadurch wurde zu allen Zeiten die Sehnsucht nach ihrer ursprünglichen Heimat deutlich.

Genau das drückt der Begriff „Zionismus“ aus. Wie schon Ps. 137,4 es ausdrückt: „Vergesse ich Jerusalem (Zion), so verdorre meine Rechte.“ Seit den Anfängen der zionistischen Bewegung ging es darum, dass eine gesicherte Heimstätte im Land der Väter für jüdische Menschen aufgebaut wird.
Es ist ein gegenwärtiges Wunder unserer Generation, dass wir in diesem Jahr das 75-jährige Bestehen des Staates Israel erleben dürfen. Etwas dass 1.900 Jahre keine Generation erlebte, jedoch in vielen Generationen Juden und Christen gleichermaßen erhofft hatten, die ihre Bibel in ihren prophetischen Aussagen ernstgenommen hatten. 

So ist auch Aussage: „Die Zeit der Gnade ist für Zion gekommen“ aus Psalm 102,4 die Grundlage und das Selbstverständnis unserer heutigen Veranstaltung. Dieser Psalm ist eingebettet in das vierte Buch der Psalmen. Die insgesamt 150 Psalmen sind aufgeteilt in fünf Liederbücher. Das vierte Psalmenliederbuch umfasst die Psalmen 90-106. Alle diese 16 Psalmen handeln inhaltlich von einem einzigen Thema: Israels Schuld und Erneuerung. Israel lernt durch diese Gebete, Gott dennoch zu vertrauen, in dem Glauben, dass nur er Israel erneuern kann. Dieses vierte Liederbuch schließt mit dem Lobpreis, das ein Aufruf an das Volk Israel ist, und ich möchte es auch auf uns erweitern: „Gepriesen sei der Ewige, der Gott Israels von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und alles Volk sage Amen, ja Amen“. (Ps. 106,48).

Es ist gut, den ganzen Vers von Ps.102, 4 zu lesen, der lautet: „Du wirst eingreifen und dich über Zion erbarmen. Denn die Zeit ist gekommen, es zu begnadigen. Die Stunde ist da“. Nur auf Grundlage der Treue Gottes, die er in den Bundesschlüssen mit Israel geschlossen hat, ist es erklärbar, dass es heute noch Juden gibt und der Staat Israel entstanden ist. 

Bei der Zerstörung Jerusalems und Israels 70. n. Chr. sind unter anderem mehr als eine Million Bewohner von den Römern getötet worden. Anschließend folgte eine fast 2.000-jährige Diaspora, der einen unvorstellbaren Überlebenskampf jüdischer Menschen weltweit bedeutete. Inmitten von Pogromen und Verfolgung, wo die Shoa mit der Ermordung von sechs Millionen Juden die grausamste Stufe der Vernichtung darstellte.

Auf was war in all den Zeiten zu hoffen? Juden wurden durch die Bibel und den Glauben an den Gott Israels zusammengehalten. Ebenso war neben dem jüdischen Gebetsbuch, dem Siddur, immer auch die „Tehilim“, das Psalmenliederbuch ständiger Begleiter in allen Generationen.
Doch auch bibeltreue Christen orientierten sich am Wort Gottes im wörtlichen Sinne und schützen sich so auch vor dem christlichen Antisemitismus. Denn sie wussten, das Neue Testament (NT) bestätigt die Bundesschlüsse Gottes mit Israel, die im Tenach (AT) berichtet werden.

Hier ein wichtiger Hinweis aus dem NT:
(Jüdisches NT nach D. Stern) Römer 9,1-5: (…) Ich spreche die Wahrheit (…) dem Volk Israel! (…) mit ihnen wurde der Bund geschlossen, (…).
Revidierte Lutherübersetzung 1984: (…) denen die Kindschaft gehört und die Herrlichkeit und die Bundesschlüsse (…) und die Verheißungen, (Römer 9,1-5).
Der Apostel Paulus sagt deutlich im Römerbrief: „Ich frage nun: Hat etwa Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne!“ (Römer 11:1a).

Die Treue Gottes in einer wechselvollen Geschichte Israels war immer auf den Bündnissen begründet:
Israel musste mehrere Male im Verlauf seiner Geschichte das Land verlassen und kehrte jedoch aufgrund der Bundesschlüsse Gottes immer wieder zurück. Das erste Mal unter Jakob, dessen Name zu „Israel“ (Gottesstreiter) wurde, (1. Mo. 35,10). Trotz dass Gott ihm sagte: Dies Land will ich dir und deinen Nachkommen geben“ (1. Mo. 35, 12) musste er aufgrund der Hungersnot nach Ägypten (1. Mo. 46-50). Israel erlebte ca. vierhundert Jahre später die Rückkehr unter Mose in das Land seiner Väter (2. Mo. 12-15). Trotz der Bundesschlüsse wurde später das Nordreich Israel 722 v. Chr. in assyrische Gefangenschaft deportiert (2. Kö. 15.8-17,23). Das Südreich wird ca. 605/586 v. Chr. nach Babel deportiert (2. Kö. 24-25). Doch erneut kehrt ein Teil, primär das Südreich, in das Land der Väter unter Esra und Nehemia zurück (2. Chr. 36,22-23, Buch Esra und Nehemia). 

Doch ein weiteres Mal werden die Juden aus Israel vertrieben, 70 n. Chr. und endgültig 135 n. Chr. Von nun an lebten fast 1800 Jahre lang Juden nur als eine kleine Minderheit im Land der Väter. Doch die Bundeszusagen erfüllten sich ein weiteres Mal. Mit der Gründung des Staates Israel am 14.05.1948 endete das Exil der Juden. Erneut haben sie eine nationale Heimstätte. Zum ersten Mal leben gegenwärtig mehr Juden im Staat Israel als in der Diaspora.

Diese in unserer Zeit zum vierten Male eingesetzte Sammlung des Volkes entspricht den zahlreichen Vorhersagen, die sich vor unseren Augen erfüllen. Zum Beispiel wird in 5. Mo. 30,1-10 von der Sammlung aus allen Völkern gesprochen, das gab es bisher noch nie. In Jer. 23,3-8 wird von der Sammlung aus allen Ländern gesprochen. Jesaja betont die Sammlung der Zerstreuten von allen vier Enden der Erde (11,11-12); eindrücklich schildert der Prophet Hesekiel die Sammlung aus den Heiden in das Land, das Gott Jakob versprach, damit sie dort als Volk leben (37,21-25).

Damit stellt sich der neu gegründete Staat durch seinen Namen und seine nationale Landessprache Hebräisch in die Kontinuität des biblischen Israels, von dem die Verheißungen der Bibel wiederholt sprechen. Das ist die Zeit der Gnade, die für Zion gekommen ist. Und auch eine Zeit der Gnade, dass Christen das erleben dürfen.
Doch leider teilen nicht alle Christen diese Sicht, da möchte ich ihnen ein Beispiel vom letzten Jahr geben: Die Tagung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Karlsruhe.
Sie können meinen kompletten Artikel zu dem Thema im Focus-Israel lesen. Ich habe es überschrieben: Störfaktor Israel. 

Unter dem Motto „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ fand vom 31. August bis 8. September 2022 die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe statt. Dieser internationale Zusammenschluss von 352 Mitgliedskirchen aus über mehr als 120 Ländern findet nur alle acht Jahre statt. Über 4.000 Delegierte aus der ganzen Welt, Vertreter für eine halbe Milliarde Menschen, kamen in Karlsruhe zusammen.  Nach Abschluss der ÖRK-Vollversammlung gab es eine Erklärung zum Palästina-Israel-Problem. Diese wurde am 15. September 2022 auf ihrer Internetseite veröffentlicht. In der Erklärung: „Streben nach Gerechtigkeit und Frieden für alle im Nahen Osten“ ist die Stellungnahme zum Nahost-Konflikt einzusehen.
Einleitend sind die Bibelworte vorangestellt: „Friede! Friede!“, „und ist doch nicht Friede“. (Jeremia 6,14/8,11) „Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht!“, (Matthäus 14,27).
Eine einseitige Pauschalisierung zu Lasten Israels und des ganzen Konfliktes im Nahen Osten wird in einer für gottesfürchtige Christen unwürdigen Weise zum Ausdruck gebracht. So ist von einer „andauernden militärischen Besatzung“ wie auch von „Diskriminierung und systematischer Menschenrechtsverletzung“ die Rede. In Palästina/Israel würden gewaltsame Vertreibungen von Palästinensern vorgenommen und die Zweistaatenlösung verhindert. Weiter heißt es: „(…) Wir glauben, dass die Sicherheit für die Palästinenser als auch für die Israelis nur durch das Ende der Besatzung (…) und durch eine gerechte, umfassende und langfristige Friedensvereinbarung gewährleistet werden kann.“ 

Ebenso ist dort zu lesen, die Politik und die Maßnahmen Israels kämen einer „Apartheid“ gleich.
Der ÖRK bestätigte in Karlsruhe einmal mehr, Israel dämonisieren zu wollen, wie er es in der Vergangenheit wiederholt getan hat. Denn viele der Akteure bei der Vollversammlung sind Unterstützer einer „Anti-Israel“-Politik. Die gemeinsame Basis: Das Kairos-Palästina-Dokument

So vertritt die Organisation der „Kairos Palestine Solidarity Network Germany“ die These, in Israel herrsche Apartheid. Diese legt sie in ihrem „Kairos-Palästina-Dokument“ dar, das bewusst in Anlehnung an das Kairos-Dokument in Südafrika von 1985 mit der Forderung nach Abschaffung der in Südafrika bis 1994 herrschenden Rassentrennung so genannt wurde.
Diese Ereignisse nenne ich, und es gibt noch wesentlich mehr dazu zu sagen, um deutlich zu machen, wie heute eine Ablehnung des Staates Israels durch Christen geschieht, welche die Bundesschlüsse Gottes und den tatsächlichen Zustand in Israel nicht kennen.

Gleichzeitig hat es aber auch eine geistliche Dimension.
Nicht vergessen sollten wir in allem auch die geistliche Perspektive: Der Widersacher Gottes setzt alles daran, Israel als Gottes erwähltes Volk vor den Menschen in Verruf zu bringen. Daher wird Israel immer wieder einseitig negativ und ungerecht be- und verurteilt. Das alles ändert jedoch nichts daran, dass unser HERR wiederkommt – vor den Augen seines Volkes in Jerusalem! (Sach. 14,3-4.16; Apg. 1,11).

Daher freue ich mich darüber, dass durch Sie selbst und dass durch Veranstaltungen deutlich wird, Christen können auch andere Signale setzen.

Ein herzliches Gott befohlen

Jurek Schulz