Torah: 5. Mose 29:9–30:20; Haftara: Jesaja 61:10–63:9; Brit Chadascha: –
(Angaben nach „Die Tora nach der Übersetzung von Moses Mendelssohn“ und David Stern)
[Autor: Jurek Schulz]
Nitzawim – Ihr steht
Wir lesen heute davon, dass Mose kurz vor seinem Tod das Volk Israel als Ganzes in die kollektive Verantwortung gegenüber G’tt stellte. Das hebt die Verantwortung des Einzelnen, in Ehrfurcht vor G’tt zu leben, nicht auf.
Wesentlich ist, dass die aus Ägypten Erretteten hier zum ersten Mal als Volk und Nation auf die Selbstbestimmung ihrer Zukunft für die Zeit nach Mose eingestimmt werden.
Das bedeutet aber auch, dass die kollektive Verantwortung nicht die individuelle Verantwortung des Einzelnen ausschließt. Jeder Einzelne ist und bleibt gegenüber G’tt verpflichtet. Daher muss die Gesamtheit des Volkes Israel sich vor IHM versammeln und auf ihn hören, um danach zu tun.
V. 9: … ihr (alle) steht, … vor dem „Angesicht Jahwes“ eures G’ttes …
V. 28: Überlassen wir die verborgenen Dinge G’tt. Achten wir auf das, was offenbar ist und wir tun sollen.
Kap. 30: Bedingt durch unseren Abschnitt bleibt eine Frage: Wie verhält es sich mit G’ttes Entscheidung und mit der menschlichen Freiheit? Was kommt: Fluch oder Segen, Verstoßensein unter den Heiden, Gefangenschaft oder doch Freiheit?
Ein Hinweis: Mit der Abfassung des 5. Mose-Buches wurde keine „Theologie“ betrieben oder festgelegt. Unser Abschnitt bringt zum Ausdruck, was bereits bekannt war. Israel war schon während der Wüstenwanderung ungehorsam.
Insofern ist hier eigentlich eine Prophetie vorhanden und keine Festlegung. Daher kann es auch heißen: „Ich hatte es dir gesagt, du hast dich als hartnäckig erwiesen und hast daher meine Strafe herausgefordert.“
Auffallend ist, wie oft die Umkehr und Reue als Möglichkeit eines Neuanfangs genannt werden. Trotz der Nöte, die über das Volk kamen, weil es G’ttes Willen ablehnte, sagte G’tt in Jesaja 63:4 doch: „Ich will die Meinen erlösen.“ Er bezeichnet es als sein Volk, das er liebt und erlösen will (Jes 63:8–9).